Volkstrauertag 2014

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Zwei Sonntage vor dem 1. Advent wird in Deutschland der Volkstrauertag begangen. Er gilt der Ruhe und des stillen Gedenkens. Gedacht werden soll den zahlreichen Opfern von Kriegen und sonstigen Gewalttaten. Und zwar nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern auf der ganzen Welt. In zahlreichen Gemeinden und Städten gibt es Gedenkstunden und Kranzniederlegungen.

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Am Volkstrauertag wird den Opfern von Krieg und Gewalt gedacht. Mit Blick auf die Jahreszahlen 1914-1939-1989 ist der Tag in diesem Jahr von besonderer Bedeutung. Der Erste Weltkrieg, „Die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“, begann vor 100 Jahren. Vor 75 Jahren begann der Zweite Weltkrieg, der Schrecken und Gewalt ins Unfassbare steigerte. In diesen Tagen feiert Deutschland die friedliche Revolution mit dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung vor 25 Jahren. Die Zentrale Erfassungsstelle Salzgitter beziffert die Zahl der Todesopfer an der innerdeutschen Grenze zwischen 1961 und 1989 mit 872. Dazu zählen Opfer, die von DDR-Grenzern erschossen wurden, in den Gewässern der Grenzanlagen ertrunkene Flüchtlinge, Opfer von Unfällen während der Flucht oder Selbstmorde nach entdeckten und vereitelten Fluchten. Auch durch Flüchtlinge erschossene Grenzsoldaten sowie Todesfälle deutscher Flüchtlinge an anderen osteuropäischen Grenzen gehören dazu. Jeder Fall ein Schicksal und ein Ausdruck des Willens von Menschen nach Freiheit.

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Wegen dem anhaltenden Regenwetter fand die Gedenkfeier in diesem Jahr im Anschluss an das Hochamt in der Pfarrkirche St. Peter und Paul statt.

Vizepräsident Klaus Lammers hielt folgende bewegende Rede:

„Sehr geehrte Damen und Herren, werte Schützenbrüder, liebe Nienborger,

es ist guter Brauch und Tradition, alljährlich zum Volkstrauertag, wie auch zum Auftakt unserer Sommer- und Schützenfeste, hier am Kriegerehrenmal den Toten und Gefallenen der beiden Weltkriege zu gedenken.

Nur noch wenige unter uns sind lebende Zeitzeugen der Kriegswirren in unserem Land und kennen dies allenfalls noch aus ihrer Kindheit oder den frühen Jugendtagen. Dennoch haben sich die damaligen Gräueltaten in ihr Gedächtnis unauslöschlich eingebrannt. In diesem Jahr jährt sich der Beginn des ersten Weltkriegs zum 100sten Mal, der Beginn des zweiten Weltkriegs ist mittlerweile 75 Jahre her. Die weitaus meisten unter uns haben mit der Region und der Zeit, in die sie hinein geboren wurden, das große Glück gehabt, in Frieden aufwachsen und leben zu können. Dieses Glück teilen jedoch nicht alle Menschen dieser Generation.

Überall auf der Welt sind Kriege, Gewalt und Verfolgung an der Tagesordnung. Auch heute noch werden Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft oder wegen ihrer ethnischen Abstammung verfolgt. Unrechts- und Schurkenstaaten sind heute militärisch auf hohem Niveau ausgerüstet und die Flüchtlingszahlen in der Welt sind höher als jemals zuvor.

Fast scheint es, als haben die Menschen aus den Kriegen der Vergangenheit überhaupt nicht gelernt. Wie sonst kann es sein, dass in Syrien mit Kobane eine ganze Stadt von einer meuchelnden Bande militanter Islamisten, die sich  „Islamischer Staat“ nennen, über Monate in Schutt und Asche gelegt wird und die gesamte Welt erstarrt in Nichtstun und – nein, nicht Wegschauen, sondern viel zu lange Zuschauen, das den Meuchelmördern auch noch Zeit für ihre Gräueltaten einräumt.-Mit dem gleichen fanatischen Motiv, das sich Religion nennt, werden in Nigeria von der dortigen Boko-Haram ganze Mädchenschulen entführt und nach einer Zeit der Folter und Gehirnwäsche in die Sklaverei weitergereicht. Die Reaktion der Welt ist bis auf einige flehende Appelle wieder Verharren im Nichtstun, das einem sich Ergeben, fast Akzeptieren gleichkommt.

In der Ostukraine kommt es zwischen pro-russischer Miliz und ukrainischen Militärverbänden täglich zu tödlichen Auseinandersetzungen, ganze Militärverbände ohne Hoheitszeichen prägen das Bild in der Region, die Krim ist bereits annektiert und die Reaktion der Welt zeigt, dass wirtschaftliche Interessen wichtiger sind als die mit Füssen getretenen Menschenrechte. Neben den tatsächlichen Kriegsschauplätzen dieser Welt  bewegen sich die Großmächte – militärische wie wirtschaftliche – ohne erkennbare Gegenwehr wieder in Richtung kalter Krieg und ziehen aus der leidensvollen Zeit keine Lehren.

Diese Aufzählung könnte jetzt noch lange fortgesetzt werden, sie brächte nichts anderes zutage, als die Sinnlosigkeit eines jeden Krieges, jeden Terrors und jeder menschenverachtenden Gewalt. Die Geschichte hat viele, viele Male gezeigt, dass es in Kriegen nur Verlierer gibt, dass die sogenannten siegreichen Regenten oftmals das Ende, der von ihnen angezettelten Kriege nicht mehr erlebt haben und dass es auch bei den sogenannten Siegermächten, unzählige, durch nichts zu rechtfertigende Opfer gab. Doch genauso viele Male hat es wieder Verblendete gegeben, die es geschafft haben ganze Nationen, ihre Nationen in die totale Katastrophe eines unsinnigen Krieges zu stürzen.

Wir könnten jetzt meinen, das alles ist weit weg und kann bei uns nicht mehr vorkommen – aber auch bei uns ist der vermeintliche Frieden trügerischer Natur. Immer wieder schaffen es Salafisten junge Männer für die radikal-islamischen Terrormilizen des IS in Syrien oder im Irak zu gewinnen. Eltern und Behörden werden von den Kampfeinsätzen ihrer Kinder und Bürger, die zuvor niemals radikal in Erscheinung getreten sind, völlig unvorbereitet getroffen und stehen ihnen machtlos gegenüber. Sicherheitsbehörden sprechen inzwischen von salafistischen Strukturen im Norden des Münsterlandes. Aus den westlichen Ländern werden junge Staatsangehörige angeworben, die in den schrecklichen Videobotschaften des IS von den Geiselenthauptungen als feige vermummte Mörder auftreten.

Das alles zeigt auf brutale Art und Weise, dass der Frieden in dem wir unsere Leben so lange Zeit leben durften alles andere als selbstverständlich ist. Die Namen, die in unserem Kriegerehrenmal eingemeißelt sind, zeigen uns allen, dass es in unserem Land eine grausame Zeit gab, in der brutaler Krieg herrschte, der auch bei uns kaum eine Familie verschont hat. Im September diesen Jahres hat eine Gruppe aus unserem Ort schon einmal an einem Denkmal gestanden, an dem viele Namen eingraviert sind. Am Ground Zero und im gerade erst eröffneten Memorial Museum, der Gedenkstätte zu den Flugzeugattentaten vom 11.September, wurde uns auf ergreifende Weise bewusst, wie grausam und brutal der Terror in dieser Welt unschuldige Menschen trifft.

 

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Diese Namen, wie die an unserem Ehrenmal, hinter denen so tragische Schicksale stehen,  dürfen nicht einfach verblassen. Ihre Träger sind einem sinnlosen Krieg zum Opfer gefallen, aber sie dürfen nicht sinnlos gestorben sein. Auch die Namen ehemaliger jüdischer Mitbürger aus unserem Ort sind hier verewigt- Während der Nazidiktatur und besonders in der Pogromnacht vom 9. auf den 10.November 1938 wurde ihnen ein grausames Schicksal zuteil.

Wilfried Johnen vom Landesverband der Jüdischen Gemeinde Nordrhein hat in diesem Jahr bei der Gedenkfeier zur Pogromnacht, den damaligen Opfern unter den jüdischen Mitbürgern gedacht. Von ihm stammt der Satz: „Ein Mensch ist erst tot, wenn sein Name vergessen ist!“. Diese, in dieses Ehrenmal eingemeißelten Namen sind es, die uns beständige Mahnung sein müssen, mit dem erlebten Frieden sorgsam umzugehen und ihn zu bewahren. Das sind wir den Menschen, die hinter diesen Namen stehen schuldig!

Die grausamen Geschehnisse unserer Vergangenheit werden zwar niemals ungeschehen – aber sie können sich dennoch zum Guten wenden, das geschieht jedoch niemals von allein! Die friedlichen Feiern zum 25-jährigen Jubiläum unserer Wiedervereinigung und des Mauerfalls in Berlin, bei dem nicht ein Schuss gefallen ist, geben Anlass zur Hoffnung, dass die Menschen doch etwas gelernt haben, und dass auch Frieden gelingen kann – von einem dauerhaften, weltweiten Frieden ist die Menschheit sicher noch weit entfernt. Unsere Pflicht muss es daher auch weiterhin sein, die Erinnerung und Mahnung die mit der heute erneuerten Ehrenbezeugung verbunden ist auch für die nachfolgenden Generationen lebendig zu halten.

Ich Danke!“

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Im Anschluss legten die Vorstandsmitglieder den Ehrenkranz am Kriegerehrenmal auf dem Friedhof ab.

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